Zum Staunen geht man im Liebighaus in den Keller. Zum Lachen – ins Frieder Burda. Das sind die zwei Erkenntnisse, die ich im Jahr 2024 gewinnen konnte. Als mich meine Mama in Frankfurt besuchte, gingen wir auf Empfehlung eines Bekannten ins Liebighaus, um uns die dortige Skulpturensammlung anzusehen. Von ihr blieb ich größtenteils unbeeindruckt, weil das Neue und das Alte Musem Berlin mich für andere Museen versaut haben. Doch im Untergeschoss des Frankfurter Kunsthauses fand ich Schätze, die ich in der Form noch nie zuvor gesehen hatte – zumindest nicht in diesem Ausmaße.
Denn dort befindet sich die Elfenbeinsammlung von Reiner Winkler (1925–2020). Der Sammler schuf eine ganze Kollektion an Elfenbeinskulpturen mit dem Schwerpunkt Barock. Winkler baute seine Sammlung seit 1962 kontinuierlich auf. Im Laufe seiner Sammeltätigkeiten entwickelte er einen spezifischen Geschmack und konzentrierte sich schließlich voll und ganz auf Elfenbeinskulpturen des 17. und 18., in geringem Umfang auch des frühen 19. Jahrhunderts.
Elfenbeinsammlung im Liebighaus Frankfurt
Winkler war der Liebighaus Skulpturensammlung zu Lebzeiten eng verbunden. Mehrfach stellte er dem Museum Leihgaben für Ausstellungen zur Verfügung. Ebendort hat seine Sammlung nun „ihre neue und endgültige Heimat“ gefunden und bleibt somit „als ,Gesamtkunstwerk‘ erhalten“, wie es sich Reiner Winkler ausdrücklich wünschte. Die Exponate sind merkbar erlesen und an Einzigartigkeit kaum zu überbieten. Aus dem Staunen kam ich also gar nicht heraus.
Seit 2019 waren schon zahlreiche Meisterwerke bekannter Bildschnitzer im Liebighaus unter dem Ausstellungstitel „White Wedding zu sehen. Mit der Folgeausstellung „Splendid White“ (2022) wurde die Elfenbein-Sammlung Reiner Winklers im Liebieghaus vervollständigt und ist nun als Dauerausstellung zu sehen. Der Eintritt kostet regulär 8 Euro.
Wie wurde mit Elfenbein gearbeitet?
Es ist die Frage nach dem wie, die immer wieder aufkam, während wir uns die Elfenbein-Sammlung im Liebighaus ansahen. Wie konnte das „weiße Gold“ so bearbeitet werden, dass die Figuren auf den Reliefplatten derart filigran und winzig waren? Hierfür blicken wir kurz in die Geschichte zurück:
Bereits in der Altsteinzeit schätzten Menschen Elfenbein als besonders kostbares Material, weil es Holz und andere Rohstoffe beachtlich überdauerte. Um Elfenbein zu schnitzen, benutzten unsere Vorfahren Werkzeuge wie Klingen, Bohrer und spitze Stifte aus Feuerstein. Das wissen wir anhand der Spuren auf zahlreichen Artefakten dieses Zeitalters. Irgendwann wechselten die Elfenbeinschnitzer zu Metallwerkzeugen, die deutlich effektiver waren. Trotz dieser Weiterentwicklung bei Werkzeugen blieb die Kunst des Elfenbeinschnitzens über Tausende von Jahren erstaunlich konstant.
Elfenbein: Lag der hohe Grad der Ästhetik am Werkzeug? Nö!
Die handwerklichen Fertigkeiten und das kreative Geschick der Schnitzer prägten diese Kunstform in jeder Epoche der Menschheitsgeschichte. Selbst die Erfindung von Maschinen veränderte die Grundlagen des Handwerks kaum, eröffnete aber neue Gestaltungsmöglichkeiten. So ermöglichten etwa Drehbänke das Drechseln von Elfenbein und die Herstellung von sogenannten Wunderkugeln. Hierbei handelt es sich um kunstvolle Kugeln mit ineinander verschachtelten Verzierungen, die aus einem einzigen Stück Elfenbein gefertigt wurden.
Im 17. Jahrhundert erreichte die Elfenbeinschnitzerei in Europa einen künstlerischen Höhepunkt. Im Barock verzichtete man im Gegensatz zum farbenfrohen Mittelalter auf zusätzliche Bemalung, um den natürlichen, warmen Farbton des Elfenbeins wirken zu lassen. Künstler schufen in diesem Jahrhundert vermehrt Skulpturen, Reliefs und prunkvolle Gefäße mit eingearbeiteten Metallelementen.
Die Elfenbeinkunst erlebte mit den prächtigen Werken im Stil der Chryselephantin, einer Kombination aus Gold (oft durch vergoldete Bronze ersetzt) und Elfenbein, während des Jugendstils und Art déco eine letzte Blüte.
Die folgenden Exponate haben nicht das Geringste mit Elfenbein zu tun, außer dass sich mit der Reiner-Winkler-Sammlung zusammen ein Dach teilen. Es sind meine persönlichen Mega-Highlights aus Marmor, Bronze (teilvergoldet) sowie auch Holz:
Verwendete Quellen:
- liebighaus.de: Renaissance bis Klassizismus