Alles fühlte sich falsch an. Ich erlebte einen wilden Energieschub, aber wusste ihn nicht richtig zu nutzen. Bei dem Versuch, ein paar Comicfiguren für mein Studium zu zeichnen, scheiterte ich jämmerlich. Alles, was meine Hände an diesem Tag schaffen sollten – war der größte Müll. Langsam fing ich an zu verzweifeln. Wahrscheinlich habe ich die Kreativität und die nötige Fantasie bereits für die Tagesnachrichten verplempert. Eine Unruhe kam wie ein Sturm in mir auf.
Ich schmetterte die Studienbücher in die Ecke, nachdem ich zwei nichtssagende Figuren gemalt hatte. Farbe. Farbe muss her, und zwar dringend. Ich vergrabe meine Hände gerne in ihr, fahre gerne mit dem glitschigen Pinsel über das Papier – frei von jeglichen Plänen und Ansprüchen. Ich tunkte auch meinen neuen Spachtel in die streng riechende Acrylfarbe. Schmier, schmier, klatsch, pinsel – alles Scheiße, was ich heute mache. Was passiert mit mir?
Ich muss an dieser Stelle einen Link setzen, deshalb verlinke ich euch einfach mal die 8 Dinge, die mich üblicherweise inspirieren.
Wann geht dieser Zustand vorbei?
All meine Talente scheinen mich heute verlassen zu haben. Ich könnte jetzt nur noch schreiben, aber das tat ich ohnehin schon den lieben langen Tag. Also ließ ich es. Ich hasse solche Tage. Aber an solchen Tagen weiß ich die guten Tage, an denen alles klappt – und das sogar ohne Anstrengung – zu schätzen. Ich sah die Situation klar und wusste, dass mein talentfreier Gemütszustand nur eine vorübergehende Phase ist, die zum Leben dazugehört.
Dennoch durstete ich nach einer Inspiration, nach einem Zeichen, das nicht kommen würde. Die Unruhe in mir wurde lauter. Ich dachte über meine Einsamkeit nach, für die ich all die Jahre meines Lebens konstruktiv gesorgt hatte. Ist sie überhaupt die Richtige für mich? Andererseits: Wer will das alles plus meine Launen schon über sich ergehen lassen? Meine Augen rannten durch den Raum auf der Suche nach etwas Beständigem, das mir aus diesem Zustand verhelfen könnte.
Leset meine bescheuerten Gedichte
Der Blick blieb auf meiner Büchersammlung mit den erotischen Fotografien stehen. Ich blätterte. Und ich erlebte erstmals, dass mich das Dargestellte anwiderte. Fuck. Es ist wohl ernster, als ich zunächst vermutet hatte. Dann schrieb ich aus Verzweiflung folgende Gedichte. Ich habe das wirklich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht, seid mit eurem Urteil daher nicht so streng. Die sind alle gleich. Es reicht also, wenn man nur eins liest.
Giftiges Licht
Wofür das alles? Wer will das schon sehen?
Mein Geist ist doch seit langen Jahren schon erschöpft.
Ich suche nach dem Sinn und finde Leere
Es fühlt sich an, als hätte diese Stimme
in meinem Ohr sich selbst geköpft.
Ich blicke suchend in den grauen Himmel
Entgegen blickt mir grelles Halogen
Giftiges Licht verengt meine Pupillen
Ich fühle, wie die Erde mich verschluckt.
***
Der rauchende Schatten
Ich suche, suche, fasse an die Mauern
Sie war doch grade eben hier, ich rieche ihren Duft
Sie fließt auf einmal nicht durch meine Blutbahn
Ich schau mich panisch um, doch finde sie nicht mehr.
Auf meinem Schreibtisch sitzt ein dunkler Schatten
Er raucht und blickt mich an, als würd‘ er gerne sagen:
„Nichts ist für immer, Kleines, hab dich doch gewarnt.“
***
(ohne Titel)
Ich wache aus dem Alptraum auf und kann mich nicht bewegen
Die Luft zum Atmen fehlt in diesem Raum.
Wird’s etwa immer enger hier?
Die Wände kommen näher
Und ich bin machtlos, denn ich habe sie verloren.
Wo ist sie denn nur abgeblieben?
Wer hat sie gestohlen?
Seht zu und lacht – ich habe sie nicht mehr.
Der Glanz in meinen Augen wird ersetzt durch Hektik
Alles, was ich berühre, wird nicht mehr zu Gold.
***
(ohne Titel)
Acryl in meiner Nase, die Hände voll Pigment.
Ich hasse, was ich schaffe,
vermisse mein Talent.
Die Luft drückt auf die Lunge
Ich fürchte das, was kommt.
Misstraue meinem Handeln
Der Körper – angespannt.
***
Zerpflückt
Ich muss hier raus, der Raum schrumpft immer weiter
Wenn ich noch länger warte, werde ich zerdrückt.
Ich kann nicht atmen, kann nicht schreien, kann nicht schaffen.
Sie haben meine Blumenwiese vollständig zerpflückt.
Ich hasse heute alles, was ich schreibe
Und ich verachte jeden Augenblick
Meine Talente haben mich verlassen.
Bleibt nur noch warten – doch wie lang? – auf diesen Augenblick.
***
(ohne Titel)
Hört auf zu schreiben, hört auf anzurufen.
Ich habe eure kalten Stimmen satt.
Ich gehe raus ins Feld, um nach er Spur zu suchen,
die mein Talent mit Lippenstift am Spiegel hinterlassen hat.
Warum fiel mir das alles nur so einfach?
Warum wurde die Seele nun zu Stein?
Ein neuer Weg wurde soeben für mich freigeschaufelt
Doch ich beschreite diesen nicht – ich lieg im Bett.
Zurück zu meiner geliebten Hardcore-Mörderdoku
Danach schien es mir besser zu gehen, obwohl die leeren Worte auf dem karierten Papier mir nicht den Ansatz einer Befriedigung einbrachten. Der Gedanken daran, dass ich diesen Zustand niemals mit jemandem teilen würde, machte mir ganz warm ums Herz. Ich hasste jede Sekunde dieses Abends und ließ ihn ausklingen, indem ich langsam zu der mörderischen Doku „Криминальная Россия“ aus den 90ern einschlief. Die monoton-ernste Stimme des Sprechers ist für mich der journalistische Gipfel einer düsteren Perfektion. Ob dieser Mann wohl auch Tage hatte, an dem ihn sein Talent verließ?